Brückenbauer zwischen Welten: Daniel Gatzke über die Zukunft der Medienproduktion
Daniel Gatzke, Gründer und Geschäftsführer von GATZKE.MEDIA zeigt auf, wie die Formatentwicklung zwischen Fernseh-, Streaming- und Social-Media neu gedacht werden muss.
Daniel Gatzke hat mit seiner Full-Service-Agentur GATZKE.MEDIA den Finger am Puls der Zeit. Spezialisiert auf Social Media, Content Marketing und Influencer Marketing weiß der 36-jährige genau, welchen Content es braucht, um generationsübergreifend Zielgruppen zu erreichen.
Heute macht der gebürtige Westfale mit seiner erfolgreichen Reihe „Creator Collective x Creator College“ – einer Weiterbildungs- und Networking-Veranstaltung für namhafte Influencer– Station bei der Medien.Bayern in München. Im Interview mit uns gibt er Einblicke in seine Ideen zur Verbindung zwischen der traditionellen und der neuen Medienwelt.
Für „Dan“, wie ihn sein Umfeld nennt, liegt der Schlüssel zum Erfolg für Entscheider:innen der Film-, Fernseh-, Streaming- und Content-Creator-Branche darin, Formatentwicklung und Wertschöpfung von Grund auf anders zu denken.
Medien.Bayern (M.B): Hi Dan, schön, dass du heute bei der Medien.Bayern zusammen mit YouTube unseren Eventspace für Euer Influencer-Networking Event nutzt. Wie kamst du eigentlich auf die Geschäftsidee zu Deiner Agentur?
Dan: Ich glaube, ich wusste schon mit 16, dass ich etwas mit Bewegtbild machen will. Damals ahnte ich noch nicht, dass das mal eine digitale Firma werden würde – das kam erst mit Anfang 20, als YouTube auf den deutschen Markt kam. Da war ich schnell im YouTube-Game mit dabei. Ich merkte, dass die Fernsehzuschauer alt sind und die jüngere Generation gar nicht mehr RTL und Co. einschaltet. Stattdessen lief alles auf YouTube, besonders damals. Das fand ich spannend und mir wurde klar: Das wird keine klassische Produktionsfirma.
M.B: Womit wir schon beim Thema sind: die traditionelle Fernseh- und Filmbranche mit ihren Produktionen versus den Produktionen von Content Creators. Wer hat die besseren Chancen auf Monetarisierung?
Dan: Darüber könnte ich ein ganzes Buch schreiben. Aktuell fließen die Werbegelder stark ins Internet, was Probleme für die Fernsehsender verursacht. Dazu kommt unsere nicht gerade rosige Wirtschaftslage, aber selbst wenn es irgendwann sicherlich wieder bergauf geht, fließt das Geld meiner Meinung nach nicht zurück ins Fernsehen, sondern in die digitalen Plattformen.
Als Produzent von Social-Media-Content muss ich ins Risiko gehen und mich zunehmend von Finanzierungen und Geldern Dritter unabhängig machen. Ich weiß vorher nie genau, was zurückkommt. Deshalb ist es entscheidend, nicht aufgebläht und mit hohem Kostendruck zu arbeiten, sondern auf eine clevere Infrastruktur zu setzen – etwa kleine, agile Teams und wachsende Ads-Einnahmen auf YouTube.
M.B: Aber du musst ja auch vorab ein Team bezahlen, das an der Formatentwicklung arbeitet. Du hast laufende Kosten. Wie kalkulierst du das, wenn die Einnahmen nicht sicher sind?
Dan: Das ist ein völlig anderes Denk-Modell. Es ist viel risikoreicher – vergleichbar mit einem Startup, bei dem du nicht weißt, ob es in drei Jahren noch existiert. Zumal du weder Venture Capital noch unendliche Ressourcen hast. Viele TV- und Film-Produzenten sind da verständlicherweise eher unflexibel. Die fangen erst an zu arbeiten, wenn der Sender grünes Licht gibt und das Geld da ist. Und dann machen sie auch nur genau das, wofür sie beauftragt wurden. Diese Zeiten werden immer schwieriger.
Wir denken anders: in Produktwelten, in Lizenzwelten. Uns gehört der Content und wir können darauf aufbauen. Wir denken in Wertschöpfungsketten – das ist ein ganz anderes Fundament. Mit dieser Einstellung denkst du auch mutiger über Investitionen nach.
M.B: Die Formatentwicklung ist also entscheidend. Muss diese bereits strategisch wirtschaftlich gedacht werden?
Dan: Absolut. Man sagt ja immer, als Künstler müsse man zuerst an die Inhalte denken und nicht direkt an Verwertungsketten – aber das ist in unserer Branche totaler Bullshit. Es geht beides, und beides befruchtet sich auch. Dadurch denkst du um die Ecke, wenn du ein neues Projekt startest.
Mein Bruder und ich wollen zum Beispiel einen Videocast produzieren – eine kleine Mini-Talkshow, die einerseits ein Podcast ist, aber bei der auch drei Kameras mitlaufen. Wir denken die Videoverwertung also gleich mit. Unser erster Gedanke war nicht, worüber wir reden, sondern wie die Struktur dahinter sein muss, damit es später überhaupt monetarisiert werden kann.
M.B: Bei welchen Projekten von Dir verbinden sich aktuell die Streaming-/Fernsehwelt mit Social-Media-Content-Produktionen?
Dan: Streaming finde ich total spannend. Wir entwickeln mit vielen Content Creators auch Formate für u.a. Joyn oder RTL Plus. Ein Paradebeispiel für solche gewinnbringenden Kooperationen zwischen Content Creators und etablierten Produzenten ist z.B. ‚Krass Klassenfahrt‘ mit inzwischen 13 Staffeln. Die Serie begann 2019 als Webserie auf YouTube. Ab 2020 lief die neunte Staffel dann parallel auf Joyn und YouTube.
M.B: Wie sieht eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Film-/Fernsehproduktionen und Influencern beziehungsweise Content Creators aus?
Zum Glück ist eine Phase vorbei, in der Produzenten zum Frust von Regisseuren, Crew und Autoren pro forma zwei Influencer in ein Film-/Fernsehprojekt packten, die Qualität des Contents inhaltlich verwässerten, aber hofften, dass die Produktion durch die Reichweite der Influencer durch die Decke geht. Das ging natürlich schief.
Als Produzent musst du etwas machen, wovon der Creator selbst überzeugt ist. Das ist der einzige Grund, warum Content von Influencern funktioniert: Er ist authentisch. Die meisten beginnen nicht, um Millionär zu werden, sondern weil sie inhaltlich von etwas getrieben sind und unterhalten wollen. Viele erfolgreiche Content Creators wurden früher gemobbt oder lebten auf dem Land ohne das Netzwerk und den Einfluss einer Großstadt. Das gibt einen enormen inneren Antrieb, kreativ zu werden. Diese Formate funktionieren, weil sie authentisch sind.
Wenn ein Creator Lust hat, mit einem Streamer zusammenzuarbeiten – was oft nicht einfach ist, da sie in ihrer eigenen Welt zufrieden sind – dann sollte man sich als Produzent oder Autor unbedingt mit ihnen zusammensetzen. Gemeinsam überlegt man: Wie kann ich mit meiner Infrastruktur dich unterstützen, ohne dass deine DNA in einem gemeinsamen Projekt verloren geht? Der Content Creator wiederum sollte offen sein für die Verwertungsstrategie des Partners. Das ist aus Zuschauersicht absolut sinnvoll, denn beide wissen mit ihren jeweiligen Mitteln, was beim Publikum ankommt. Die Creators sogar noch mehr, da sie täglich mit ihrer Community interagieren.
M.B: Und du bringst diese Welten zusammen?
Absolut, ich verstehe mich als ‚Brückenbauer‘ oder Übersetzer. Ich bringe Creators mit Produzenten zusammen, da ich beide Seiten verstehe und vermitteln kann. Es wird nie ein hundertprozentiges Verständnis für das Gegenüber geben, weil man immer Dinge hinterfragen wird. Das ist ein Generationending, würde ich behaupten. Am Ende sollte trotzdem immer die Frage sein: Was will der Zuschauer eigentlich sehen? Was funktioniert?
M.B: Wie oft triffst du bei deiner Beratungstätigkeit noch auf Strukturen, die Innovationen in der Formatentwicklung eher verhindern?
Natürlich sind einige Fernsehstrukturen noch verkrustet und schwerfällig, da sind die digitalen Strukturen agiler. Das muss man vorher prüfen, auch wenn das Geld eines Senders verlockend ist. Es nützt nichts, wenn es die eigentliche Idee, Authentizität und Stärke eines Content-Creator-Formats bricht, wenn man versucht, diesem noch eine Streaming- oder Fernsehtauglichkeit abzuringen.
Beim ZDF zum Beispiel hat das mit der ‚heute show‘ super funktioniert. Hier habe ich als Segment Producer für die Sommerpause einen YouTube-Kanal aufgebaut und passende Inhalte produziert. Die Reichweite war sehr gut. Aber auch da spürte man noch eine Trennung zwischen den Fernseh- und den Online-Teams. Genau darum geht es: Das muss zusammenwachsen und aus dem ‚versus‘ ein Miteinander werden.
M.B: Wie sieht eine optimale Team-Konstellation aus, um bei der Formatentwicklung bereits diese Kanal-Wertschöpfungen mitzudenken?
Es gibt ja noch keinen Ausbildungsberuf zum ‚Content Creator‘. Aber es wäre angebracht, dass sich vielleicht die IHK mal dazu Gedanken macht. Der Job ist wichtig!
Eine Herausforderung ist, wie ich schon beschrieben habe, dass manche erfolgreichen Creators sich gar nicht in feste Strukturen eines Senders einbringen wollen oder lieber für sich arbeiten.
Was ich aber auch erlebe: es gibt durchaus Vertreter:innen der älteren Generationen, die das Game verstanden haben. Aktuell arbeiten wir mit einem großen Produktions-Flaggschiff zusammen, da kommen auch von den ‚älteren Semestern‘ total gute Ideen, wie man um eine Streamingproduktion eine stimmige Social-Media-Strategie baut.
Auch das Know-how, wie man ein Format entsprechend entwickelt, dass es online funktioniert, sehen wir aktuell in einer Produktion mit einem Streaminganbieter. Da wurde das Drehbuch so geschrieben, dass es unter anderem Szenen enthält, die man gezielt herausnehmen kann, um sie dann zum Beispiel viral auf TikTok einzusetzen. Die Wege sind also da, und wir unterstützen gerne dabei, die Menschen und das Know-how zusammenzubringen.
Es bleibt ein lebenslanges Lernen- in beiden Richtungen. Am besten voneinander.
M.B: Herzlichen Dank, Dan für das sympathische Gespräch. Dir eine erfolgreiche Veranstaltung heute. Wir sind gespannt, was auf dem Markt noch alles passiert und beobachten natürlich auch mit der Medien.Bayern und unseren Initiativen weiterhin die neuesten Trends und Entwicklungen. Wir werden berichten!
Ihr möchtet auch unseren Eventspace für Eure Medien-Veranstaltung oder Networking-Event buchen- dann schickt doch eine Mail an info@medien-bayern.de