Reality Check: KI veraltet schnell und ist nicht gut genug, oder?

„Wir haben KI schon mal ausprobiert, aber das hat nicht funktioniert.“ Oder: „Da entwickelt sich alles so schnell. Bis wir was aufgebaut haben, ist es wieder veraltet.“
Zwei Sätze, die wir in unserer Arbeit immer wieder hören und das aus gutem Grund. Sie basieren auf den Erfahrungen, die Medienhäuser mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz machen. Als Kompetenzzentrum für die Schnittstelle KI und Medien möchten wir mit euch teilen, was uns in unserer Arbeit begegnet und wie wir diese Erfahrungen einschätzen.
Argument 1: „Wir haben KI ausprobiert, das funktioniert nicht.“
Diese Haltung beruht häufig auf Erlebnissen zwischen 2021 und 2023, als viele Medienunternehmen ihre ersten KI-Experimente durchgeführt haben. Klassische Probleme waren damals:
- Frühe Chatbots, die bei komplexeren Redaktionsanfragen versagt haben und mehr Fragen aufwarfen, als sie beantworten konnten.
- Automatische Transkriptionssysteme mit Fehlerquoten von 20 bis 30 Prozent, die am Ende mehr Nacharbeit als Zeitersparnis brachten.
- KI-Texterstellung, die generische Inhalte produzierten und redaktionelle Standards nicht erreichen konnten.
- Fehlende Integration in bestehende Content-Management-Systeme und Workflows.
So echt und so frustrierend diese Erfahrungen für Medienschaffende gewesen sind: Die Technik hat sich stark weiterentwickelt und wir befinden uns heute in einer ganz anderen Ausgangslage. Moderne Large Language Models (LLMs) wie die GPT-Reihe, Claude oder Gemini erreichen heute viele der Qualitätsstandards, an denen sie früher noch gescheitert sind.
Anschaulich wird das besonders, wenn man Halluzinationen betrachtet. Das Erfinden von Fakten war lange ein Problem, das zu dem Eindruck geführt hat, dass KI nicht sinnvoll einsetzbar ist. Modelle wie ChatGPT-3.5, Claude 3 und andere LLMs, die bis Anfang/Mitte 2024 verfügbar waren, haben immer wieder genau das getan: Sie haben Leerstellen gefüllt, indem sie plausibel wirkende Falschinformationen in Texte eingefügt haben. „Denkende“ Reasoning-Modelle und die neuesten Versionen der bekannten Modelle (wie ChatGPT 4.5, Claude 4 oder Gemini 2.5 Pro) haben dieses Problem mittlerweile kaum noch. Auch im Einsatz der Modelle gibt es mittlerweile Verfahren wie Doppel-LLM-Strukturen, die Halluzinationen weitgehend unterbinden.
Argument 2: „Bis wir fertig sind, ist es veraltet.“
Die Geschwindigkeit der KI-Entwicklung ist ohne jeden Zweifel extrem schnell. Zwischen den Veröffentlichungen von ChatGPT-3.5 (November 2022), GPT-4 (März 2023), GPT-4o (Mai 2024) und den neuesten Modellen liegen jeweils nur Monate. Das wirkt schnell erschlagend – und zwar gerade für Unternehmen, die es gewohnt sind, ihre IT-Infrastruktur über Jahre hinweg zu nutzen.
Abwarten mag sich in einer solchen Situation richtig anfühlen, ist aber der falsche Weg. Bei dynamischen Entwicklungen gibt es selten den perfekten Zeitpunkt, um einzusteigen: Eine Website, die in den Nullerjahren gebaut wurde, ist heute technisch wie ästhetisch in den meisten Fällen obsolet. Und trotzdem wären sich die meisten wohl rückblickend einig: „Gut, dass wir sie damals gebaut haben – denn sonst wären wir heute nicht da, wo wir jetzt sind.“
Generative Künstliche Intelligenz ist besonders. Der Weg ist das Ziel. Wer heute ein KI-Projekt startet und nur ein neues oder besonders effizientes Medienprodukt erwartet, verpasst, was eigentlich passiert: Man baut Strukturen für die eigene Arbeit und das eigene Unternehmen, damit man alle Fortschritte von KI mitnehmen kann.
Wenn alles glatt läuft, kommt es zu einem „Mitnahmeeffekt“. In deinem Medienhaus könnte das bedeuten: OpenAI, Anthropic oder Mistral veröffentlichen ein neues Modell. Das Modell ist schneller, versteht Kontexte besser und jede Anfrage an das Modell kostet nur noch die Hälfte. Weil du bereits gute Vorarbeit geleistet hast, musst du nur noch die API anpassen und kannst direkt von den Vorteilen profitieren. Bessere Leistung bei geringerem Preis ist eines der ältesten Werbeversprechen der Geschichte – bei KI stimmt es sogar meistens.
Und was spricht dagegen, jetzt in KI einzusteigen?
Unserer Erfahrung nach gibt es eine ganze Reihe wiederkehrender Hürden in Medienunternehmen, wenn wir über den Einstieg von KI sprechen:
- Investitionsangst: Es gibt oft die Sorge vor Ausgaben ohne garantierte Erfolge, besonders in wirtschaftlich unsicheren Zeiten.
- Technische Überforderung: Die Befürchtung, dass die eigene Organisation nicht über die nötige Expertise verfügt, kann lähmend wirken und stimmt oft gar nicht.
- Arbeitsplatzsorgen: Mit der Einführung von KI gehen oft Sorgen vor Personalabbau durch Automatisierung einher.
- Organisationsträgheit: Oft gibt es Widerstand gegen Veränderungen in eingespielten Workflows.
Diese Gedanken sind berechtigt und müssen ernst genommen werden. Aber sie sollten keinen Stillstand rechtfertigen.
Warum sollte man jetzt anfangen?
Wer heute nicht anfängt, wird auch morgen noch keine Prozesse haben, um den technologischen Rückstand aufzuholen und Mitnahmeeffekte zu nutzen.
Also: Der beste Zeitpunkt, um mit KI zu starten, war gestern. Der zweitbeste ist heute.
Dieser Beitrag gibt eine Einschätzung zur strategischen KI-Einführung, ersetzt aber keine individuelle Beratung für dein spezifisches Unternehmen.
Bei der Erstellung des Beitragsbildes sowie des Textes kam generative Künstliche Intelligenz unterstützend zum Einsatz.